NEU

Artist Interview: Jairo Bonilla

Nachdem wir euch mit Cyril Picard schon einen Künstler vorgestellt haben, der mit dem Music Maker in die professionelle Etage der Musikproduktion avanciert ist, möchten wir euch in die Arbeitswelt von Jairo Bonilla einführen.

Der in Kolumbien ansässige Werbemusik- und Jingle-Schreiber arbeitet seit 2009 mit dem Music Maker und hat sich vor allem auf das MIDI-Editing spezialisiert. Mit verschiedenen Auszeichnungen, die er 2015 beim Festival de la Publicidad Independiente verliehen bekam, konnte er seine Kreationen einem breiterem Publikumskreis bekannt machen und seine Fähigkeiten unter Beweis stellen.

In unserem Interview gewährt er uns Einblicke in die Werbebranche und verrät wertvolle Tipps, wie man als kreativer Kopf auch unter Zeitdruck Schreibblockaden überwinden und zu neuer Inspiration gelangen kann.

Komposition – „Für mich ist der Schlüssel zum Erfolg in der Musikindustrie die Erzeugung von Emotion, egal welcher Natur die Musik ist.“


Werbemusik muss spezielle Gefühle und Stimmungen und einen bestimmten Lifestyle transportieren, ist also im Grunde immer auch etwas manipulativ. Inwiefern gehst du bei der Komposition von Jingles und Werbemusik anders vor als bei der Komposition „normaler“ Songs?

Zunächst gibt es da die fachliche Seite: In der Werbung liegt der Hauptfokus darauf, mit dem musikalischen Stück eine bestimme Botschaft einer Zielgruppe zu vermitteln. Dies bedeutet, den Kunden, den Verbraucher, die Markenpersönlichkeit und die Kommunikationsansätze genaustens zu kennen. In dieser Hinsicht heißt das, den besten Sound mit höchstem musikalischen Anspruch zu produzieren. Warum? Nun, wenn meine Musik öfters pro Stunde im Radio gespielt wird als manch ein Song eines bekannten Künstlers, dann habe ich meines Erachtens auch die Verantwortung, die Köpfe der Hörer mit qualitativ hochwertigem Inhalt zu „füttern“. Gute Musik steht und spricht für sich selbst, egal ob du Werbemusik oder für dich selbst als Künstler schreibst. Heutzutage sind die Standards in der Musikbranche sehr hoch.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist die emotionale Komponente von Musik. Als Komponist nutze ich immer meine Intuition, um durch meine Arbeit nach einem speziellen Geisteszustand zu streben und diesen in Form von Musik abzubilden und zu produzieren. Das ist das Hauptanliegen. Für mich ist der Schlüssel zum Erfolg in der Musikindustrie die Erzeugung von Emotion, egal welcher Natur die Musik ist. Musik bringt den Hörer dorthin, wo der Schöpfer ihn haben möchte – das ist die Wahl des Komponisten, nicht des Zuhörers. Und der spaßige Teil ist es, dies im Prozess auch zu erreichen.

Wieviel Freiheit hast du bei der Entwicklung der Jingles und Werbemusik und inwiefern bekommst du von deinen Auftraggebern klare Vorgaben zu der Musik?

Der Unterschied zwischen einem Künstler und einem Publizist ist, dass der Künstler machen kann was er möchte, während der Publizist das produzieren muss, was der Kunde wünscht. In diesem Sinne zwingt die Arbeit dich dazu, klare Grenzen zu setzen. Das kann für die Arbeit ganz schön einschränkend sein. Ich habe aber dennoch stets die Kontrolle über die Konzeptualisierung und die Erarbeitung von Vorschlägen.

Fällt es dir leichter Kompositionen anzufertigen, die eine positive oder negative Stimmung transportieren?

Je nachdem, welche Gefühlsstimmung sich der Kunde wünscht, ist es nicht sonderlich kompliziert, diese auszudrücken. Der Komponist muss „den Ton der Marke treffen“ – das ist eine kompositorische Technik, die im Dienste der Marketingstrategie steht.

Wie eng sieht die Zusammenarbeit mit den Regisseuren aus, die die Videoclips erstellen? Konzipiert ihr von Beginn an zusammen oder erhältst du den fertigen Clip und entwickelst dann die passende Musik dazu?

Natürlich musst du eng mit dem Creative Director zusammenarbeiten. Ich achte genaustens darauf, was er von mir möchte, da es meine Arbeit vereinfacht. Nichtsdestotrotz ist die Herausforderung größer, wenn die gesamte Verantwortung von Konzeptualisierung, über das Kreieren des Markensounds und dessen Identität bis zur Ausarbeitung des Vorschlags auf meinen Schultern liegt. Es passiert sogar häufiger, dass die Directors mir das Vertrauen und viel Freiheit für den kreativen Prozess schenken.

Schreibst du per se immer auf „Anfrage“ deine Kompositionen oder schreibst du auch Werbemusik, die erst im Nachhinein von Unternehmen gekauft wird?

Beides. Ich bin es gewohnt, die Musik nach Erhalt des Vertrages zu komponieren. Manchmal passen aber auch schon fertige Musikstücke aus meinem Portfolio. Selbstverständlich gilt der zweite Fall nur für instrumentale Musik, da fertige Vocals, Texte und Melodien schon für eine bestimme Marke zugeschnitten wurden. Dann kann das Material natürlich nicht für eine andere Marke genutzt werden.

Bei der Erstellung von Werbemusik musst du vermutlich auch öfter mal gegen deinen eigenen, privaten Geschmack arbeiten und Musik komponieren, die du nicht unbedingt selbst anhören würdest. Wo findest du Inspiration und wie kommst du bei nahenden Deadlines über Schreibblockaden hinweg?

Als erstes muss ich anmerken, dass man in diesem Geschäft immer gegen die Zeit arbeitet und dies sehr stressig ist. Außerdem ist in der Branche ein „Open Mind and Ears“ ein Must-Have! Du solltest dir alles anhören, was sich momentan so in den Charts abspielt, sozusagen alle aktuellen Referenzen.

Was Advertising angeht, kommt die Inspiration in erster Linie direkt vom Auftraggeber. Es kann durchaus vorkommen, dass ich musikalische Genres und Stile bedienen muss, die ich nicht besonders gut beherrsche oder mag. Hier kommt das Training des Komponisten ins Spiel, da ich in der Lage sein muss, fast jede Art von Musik zu produzieren. Die musikalische Stilanalyse wird hier zum ultimativen Werkzeug. Ich fokussiere mich auf den Sound oder das in Noten Geschriebene. Dann nehme ich mir Zeit und höre alles kritisch und strukturiert gegen. Als letztes versuche ich, die „DNA“ und alle Charaktereigenschaften der Musik zu ergründen, die ich produzieren möchte, um daraus wiederum die finale Produktion anzufertigen.

Um Schreibblockaden und Inspirationslücken zu überwinden, habe ich meine eigenen Methoden. Ich höre auf zu arbeiten und mache etwas komplett anderes. Wenn die Aufgabe ist, klassische Musik zu schreiben, dann reinige ich meinen Kopf, indem ich elektronische Musik höre. Wenn ich viele Stunden im Sitzen verbringe, stehe ich auf, ziehe mir Sneakers an und gehe etwas joggen. Wenn der Tag von vielen durchmischten Sounds geprägt war, gönne ich mir einige stille Momente. Das ist meine Art – immer das Gegenteil, aber stets dynamisch und aktiv.

Was ist denn dein persönlicher musikalischer Favorit in Sachen Werbemusik?

Oh, da habe ich viele! Komischerweise sind es alles wohlbekannte Songs, typisch für die Werbeindustrie. Die Adaption von Michael Jacksons „Billie Jean“ der Pepsi Generation (1984), Robin Becks „First Time“ für Coca Cola (1988), das unglaubliche Sounddesign in der „The Cog“-Werbung von Honda (2003), die John Lewis Weihnachtswerbung „Man in the Moon“ (2015), die Musik für die Sony-Kampagne „Soul-Shaking Clarity“, die „Finale“ von Madeon nutzt (2013). Ohnehin findet man heutzutage sehr viel gute Musik in der Industrie, aber die meisten davon sind Adaptionen von Musikstücken von bekannten Künstlern. Das sind alles Mikromotive, die etwas Geniales in sich haben.

Gibt es einen Werbespot, von dem du sagst: „Den hätte ich gerne vertont“?

Definitiv! Lasst mich zuerst sagen, dass ich ein Riesen-Fan von Musikthemen für Fernsehen und Film bin. Ich meine damit die Themen, die mich zu dem inspiriert haben, was ich heute als meine Arbeit bezeichne.

Hier ist eine Liste von TV- und Film-Themen und Werbung, die ich liebe: Emergency Room Original Thema von James Newton Howard (1994); Battlestar Galactica Hauptthema von Stu Phillips (1978); Superman (1978), Krieg der Sterne (1977); Schindlers Liste (1993); alle Film-Themen von John Williams; Zurück in die Zukunft von Alan Silvetry; Filmmusik von Hans Zimmer.
Werbung: Cadburys „Eyebrows“ (2009); „Kung Fu Pepsi Crush“ (2002) u.v.m.

Music Maker – „Du bist der Orchesterdirigent mit allen Sounds zu deiner Hand.“


Wieso hast du dich gerade für den Musik Maker als Werkzeug für deine Kompositionen entschieden?

Ich habe nach einem einfachen und schnellen Setup für MIDI-Bearbeitung gesucht. Ein leistungsfähiges, schnelles und vielseitiges. Zu Beginn des Milleniums war dies jedoch ziemlich teuer. In diesen Jahren arbeitete ich mit separaten, miteinander verbundenen Hardware-Modulen. Einige Jahre später habe ich vom Music Maker erfahren und habe nun endlich all die Tools, nach denen ich gesucht habe, zu einem erschwinglichen Preis bekommen. Ich habe nicht lange gezögert und es ausprobiert und letztendlich zu meiner Hauptworkstation gemacht.


Du hast beschrieben, dass dein Spezialgebiet beim Komponieren das MIDI-Editing ist. Du arbeitest damit bereits seitdem du ein Kind bist. Was fasziniert dich daran und siehst du einen Vorteil gegenüber der Nutzung von Noten?

Meine Generation hat die Geburt von MIDI-Protokollen im Jahre 1984 miterlebt. Ich kann nicht beschreiben, wie aufgeregt ich war als ich sah, dass elektronische Instrumente sich von selbst spielten. Am Anfang arbeitete ich mit Hardware-Modulen, Synthesizern, Sequenzern und Controllern aller Art. Wie man weiß, wurde damals alles Schritt für Schritt und Note für Note mit den eigenen Fingern gemacht. Der Umzug von Hardware zu Software hat all diese Elemente digitalisiert. Heutzutage benutze ich meinen Computer als Hauptinstrument. Ich bin sehr froh, ein Teil dieser Entwicklung gewesen zu sein.

In Bezug auf MIDI: Die grafische Notation ist wie eine normale Musikpartitur für mich. MIDI Events, die in Zellen, Punkten, Graphiken, Linien, binären Codes und virtuellen Instrumenten übertragen sind, faszinieren mich und sind heute ein Riesen-Vorteil für Komponisten. Du bist der Orchesterdirigent mit allen Sounds zu deiner Hand. Aber: Bei traditionellen akustischen Instrumenten wird der Mensch als Spieler niemals zu ersetzen sein.

Wie kreierst du deine Sounds und Klänge? Benutzt du vorgefertigte Samples oder vorrangig VST-Instrumente und spielst alles selber über MIDI-Keyboard ein? Welche Plug-ins nutzt du noch gerne bei der Komposition?

Alles was ich zur Hand habe, nutze ich. Ich checke, welche Elemente und Stücke ich in meiner Library habe, um diese zu nutzen oder zu modifizieren. Wenn ich merke, dass ich nicht das habe, was ich brauche, erstelle ich mir meine eigenen Samples.

Das MIDI-Keyboard ist natürlich das vielfältigste musikalische Interface, welches ich nutze. Wenn die Musik geschrieben ist, besteht der Großteil der Arbeit darin, die virtuellen Instrumente zu „vermenschlichen“. An dieser Stelle spielen die Maus und die binären Sequenzen die Hauptrolle. Für mich bedeutet Programmieren „Silikon zu vermenschlichen“.

Zu den Plug-ins: Ich liebe alle virtuellen Instrumente von MAGIX, aber auch Tools von Drittanbietern wie MOTU (Symphonic und Ethno Instrument) sowie Streicher und Bläser-Sets von EastWest Quantum Leap. Diese sind spitze und einfach zu nutzen.

Welche der virtuellen Instrumente aus dem Music Maker nutzt du am häufigsten und weshalb?

Die Keys, weil diese das essentielle Werkzeug für die Grundlage meiner Kompositionen sind. Danach schmücke ich die Idee mit klanglichen Paletten aus, suche die passenden Klangfarben und Dichte (bei Orchestration). Jedes Jahr kommt eine neue Version vom Music Maker mit komplett neuen Sounds (Instrumenten) und Templates (Soundpools), die es zu entdecken gilt. Momentan teste ich den neuen Chor und die Flöten der 2016er Version.

„Meine Hauptstütze war mein Selbstbewusstsein und der Glaube an meine Musik, Ideen und Fähigkeiten.“


Wie bist du dazu gekommen, Musik für Werbeclips zu schreiben und produzieren?

Ich hatte einen Freund, der Publizist war und mich um Unterstützung bei einigen Jingles bat. Damit hat alles angefangen. Einige Zeit später habe ich mein eigenes Business angefangen, mit meiner eigenen Art und Technik zu komponieren und Dynamiken von Musik zu verstehen. Nebenher habe ich das erste Handbuch „Manual of Corporate Sound Identity“ (MISC auf Spanisch) erstellt: Dieses basiert auf dem Konzept von Grafikdesign, in welches ich Begrifflichkeiten von Musik und Sound übertragen habe. Neben der Tätigkeit als Musiker studiere ich Advertising in Argentinien.

Wie sahen deine musikalischen Anfänge aus? Wer war dein größter Förderer?

Ich erinnere mich noch, als ich in den 70ern im Alter von vier oder fünf auf einem großen Fisher Stereo-System meines Vaters Pérez Prados Mambo gehört habe. Er gab mir auch meinen ersten Unterricht auf einem Wurlitzer E-Piano. Mein Vater war ein Soundfanatiker und Musikliebhaber. Das waren meine ersten Kontakte mit elektronischen Instrumenten. Es war Liebe auf den ersten Blick mit den Tasten und Knöpfen. Wer hätte gedacht, dass ich es für den Rest meines Lebens so lieben würde?

Später war ohne Zweifel die Filmmusik mein größter Motivator. Deswegen haben meine symphonischen Titel viel Einfluss von dieser Seite. Auch der Pop der 80er Jahre sowie Euro-Pop und das Sounddesign der Musik von vielen Cartoon-Serien haben mich geprägt.

Meine Hauptstütze war mein Selbstbewusstsein und der Glaube an meine Musik, Ideen und Fähigkeiten. Trotz des Missfallens meiner Eltern an der Entscheidung, Musiker zu werden, habe ich für meinen Traum gekämpft. Zu Beginn war es sehr mühselig, ein jahrelanger Konflikt. Heute aber, nachdem sie gesehen haben, was ich mache, sind sie meine größten Fans!

Weiterführende Links:

Hier eine Setliste von Jairo Bonillas Produktionen für Werbeaufträge, die mit dem Music Maker produziert wurden. https://soundcloud.com/jairo_bonilla/sets/100-magix
Interview

< Vorheriger Beitrag
Artist Interview: Bob Humid

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Der neue Sound des Music Maker

Alle Infos zum neuen Music Maker und seiner neuen Sound-Engine, dem Multi-Core Support und den Soundpools findet ihr in diesem Artikel !

> Weiterlesen

2 Millionen neue Beatproduzenten in nur 15 Monaten

Music Maker Downloads knacken die 2 Millionen-Marke! Hier erfahrt ihr alles rund um die kostenlose Version des Music Maker.

> Weiterlesen

SOUND FORGE Artist Feature: Live Sets Chicago

Live Sets Chicago dokumentiert DJ-Sets von Künstlern wie Mark Farina, Sander Kleinenberg mithilfe der SOUND FORGE Pro Mac-Software.

> Weiterlesen

Artist Interview: Cyril Picard

Techno Produzent Cyril Picard erzählt von seinen ersten Schritten als Producer mit dem Music Maker und seinem minimalistischen Sound

> Weiterlesen