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Artist Interview: Andreas Kaufmann

Ein kurzer Blick auf seine Webseite verrät bereits, wie vielseitig dieser Mann ist: Lautsprecherreparatur, Boxenbau, Videobearbeitung, Musikproduktion, Audiokonvertierung – das alles bietet „TONkeule“ Andreas Kaufmann an. Nicht, weil er davon leben muss. Er hat Spaß an seiner Arbeit und genießt sein Rentnerleben in vollen Zügen. Dass er genügend Erfahrungen gesammelt hat und über ausreichend Know-How verfügt, um ihm seine Projekte oder Boxen anzuvertrauen, wurde im Interview mit ihm mehr als deutlich.


Von 1976 bis 1986 waren Sie als Tonassistent bei der DEFA in Babelsberg tätig. Anschließend haben Sie von 1986 bis zu Ihrem Renteneintritt als Tonmeister bei Film und Fernsehen gearbeitet, unter anderem an in Deutschland bekannten Serienformaten wie „Polizeiruf 110“ oder „Wolffs Revier“. Was sind die wesentlichen Änderungen, die Sie im Laufe Ihrer Karriere als Filmtonmeister miterlebt haben? Was hat Sie vor die größten Herausforderungen gestellt?

Als ich 1976 angefangen habe, wurden in der DEFA zu 95% der Filme komplett nachsynchronisiert, d.h. der beim Drehen aufgenommene Ton wurde nur als Informationston genutzt, um zu wissen, was die Darsteller beim Synchronisieren sagen müssen. Das lag daran, dass die Kameras, mit denen gedreht wurde, nicht schallisoliert waren und somit das Kameralaufgeräusch immer zu hören war.

Es gab natürlich damals auch schon die Möglichkeit, die Kamera in ein Gehäuse einzubauen, aber das machte sie groß und schwer und die meisten Regisseure, aber vor allem die Kameramänner, wollten das nicht, da es einen großen Aufwand bedeutete und die Kamera natürlich viel unhandlicher machte. Ein weiterer Punkt für den sogenannten „Primärton“ war, dass die Schauspieler sich schon mal versprechen konnten, „das wird sowieso synchronisiert“ war die Standardausrede. Es gab natürlich auch damals schon Regisseure, die wussten, dass „Originalton“ immer authentischer klingt. Da war plötzlich eine ganz andere Atmosphäre beim Drehen, es musste vollkommen still sein während der Aufnahme, keiner durfte quatschen, Umweltgeräusche, z.B. Baustellen, mussten stillgelegt werden.
Gelohnt hat sich das aber auf alle Fälle, der im Atelier nachsynchronisierte Ton ist doch immer steril. Apropos Atelier: Eine der ganz großen Änderungen zur heutigen Zeit ist, dass, zumindest was Fernsehfilme betrifft, auf Atelierbauten für Innenaufnahmen fast grundsätzlich verzichtet wird und die Dreharbeiten lieber in original Wohnungen, Büros etc. stattfinden, was natürlich finanzielle Gründe hat. Der Aufwand für die Kollegen ist aber wesentlich höher: wenig Platz und kaum Möglichkeiten, bei denen man nicht im Weg, bzw. „im Bild“ steht. Und, da wir hier ja über den Ton sprechen, der Einfluss von Umweltgeräuschen ist um ein Vielfaches höher. Da ist plötzlich über Nacht eine Baustelle vor der Wohnung entstanden, in der Nachbarwohnung läuft der Fernseher, in der Wohnung, in der gedreht wird, springt plötzlich die Heizung an, der Kühlschrank ist laut. „Zieh doch den Stecker, aber nicht vergessen, den wieder reinzustecken, sonst ist hier morgen Chaos.“ Nicht lachen, ist alles schon passiert.

Die Digitalisierung hat in der Postproduktion vieles vereinfacht und es auch Konsumenten ermöglicht, eigene Video- und Tonaufnahmen Zuhause durchzuführen. Welche Fähigkeiten, die Sie durch Ihre Ausbildung mit analogen Aufnahmegeräten und Tonquellen erlernt haben, möchten Sie dennoch nicht missen?

Das „Hören“! Die digitale Aufnahmetechnik ist ein Segen, der Umgang damit doch wesentlich einfacher, die Möglichkeiten viel größer. Aber wenn ich Fehler bei der Aufnahme nicht gehört habe, kann ich sie hinterher nicht mehr wegzaubern. Natürlich kann ich in gewissen Grenzen schlechte Aufnahmen restaurieren, aber es bleibt immer ein Kompromiss.

Befürworten Sie alle Neuerungen, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat, oder trauern Sie auch einigem nach, z.B. einem bestimmten Klang oder bestimmten Arbeitsschritten?


Arbeitsschritten mit Sicherheit nicht! Nur ein Beispiel: Wie oft ist es mir passiert, dass bei Playbackeinspielungen in einer Einstellung zwei Musikstücke eingespielt werden mussten! Das Band mit der richtigen Reihenfolge aufgelegt, kommt der Regisseur und sagt: „Ich hab mir da was überlegt (da gehen sofort alle Signalglocken an): Ich möchte den zweiten Titel als ersten haben und den ersten dann als zweiten“. Kein Problem, dauert aber ein bisschen. Also Band bis hinter den ersten Titel gefahren, durchgeschnitten, äh, keine Leerspule dabei, was jetzt. Das Band mit dem ersten Titel auf die Erde abgespult, den zweiten Titel auf die Spule gewickelt, das Stück Band von der Erde hoffentlich richtig herum an das Ende des jetzt ersten Titels angeklebt (wehe du hast kein Hinterklebeband dabei), aufgespult, fertig. Dauert locker mal 10 bis 15 Minuten. Heute ist bei mir in Samplitude jeder Titel ein Objekt im VIP und das alles dauert keine Sekunde.
Mit Klang ist es da schon anders. Wenn ich wirklich, also nicht nur nebenbei, Musik höre, lege ich mir eine alte Schallplatte auf, eine von Anfang bis Ende analog erstellte. Das klingt schon toll. Kommt natürlich auch darauf an, worüber man die Musik dann hört. Schön, dass heute wieder Schallplatten produziert werden, aber meiner Meinung nach leider nur aus pekuniären Gründen, da die Kette vor der Pressung heutzutage ja trotzdem komplett digital ist.

Als Restaurator alter DDR-Boxen und durch Ihre langjährige berufliche Erfahrung haben Sie ein durchweg geschultes Ohr. Sie bieten über Ihre Webseite auch die Digitalisierung von Video- und Musikkassetten oder Schallplatten an. Welche vermeidbaren Fehler machen Ihre Kunden, wenn es um die Tonaufnahme geht? Worauf sollte man beim Mix besonders achten?

Das kann man pauschal nicht beantworten. Nur ein Tipp zur Aufnahme mit Mikrofon: Dabei muss, und ich sage bewusst „muss“, das Mikrofon so nah es geht an die aufzunehmende Quelle herangebracht werden, da man nur so störende Geräusche unterdrückt. Und bitte keine Aufnahmen mit automatischer Aussteuerung, ganz schlimm! Da wird zwar, was nah am Mikrofon passiert, in der Lautstärke gut angepasst, aber was ist, wenn da z.B. gerade keiner spricht? Dann zieht die Automatik das Hintergrundgeräusch hoch, und das will doch wohl keiner. Das ist die Sache, mit der ich bei der Nachbearbeitung von Videos am meisten zu kämpfen habe und das nicht nur bei alten analogen Videoaufnahmen. Auch bei den heutigen digitalen Camcordern wird nur Wert auf gute Bildauflösung gelegt, der Ton ist immer Nebensache, auch wenn die Hersteller groß ein „zoombares“ Mikrofon anpreisen. Da wird doch nur der Stereoanteil des Mikrofons eingeschränkt und dadurch das Signal von vorne betont, aber wenn ich das Bild bei einer Entfernung von 5m auf einen großen Kopf heran zoome, bleibt der Abstand zum Mikrofon eben doch 5m und alles, was auf den 5 Metern dazwischen passiert, nimmt das Mikro auf, Punkt. Und da sind wir bei der grundlegenden anatomischen Gegebenheit des Menschen angekommen: Unser Blickfeld ist nur nach vorne gerichtet, unser Gehör aber arbeitet rundum, vorne, hinten, oben, unten. Bin ich mit der Freundin im Wald beim idyllischen Picknick, sag ich vielleicht noch „Ach sieh doch nur Liebling, die Lichtung, ist das schön hier!“. Dann, Zuhause beim Anschauen des Videos, ist es plötzlich gar nicht mehr so schön. Da heißt es dann: „Wo kommt denn das Geräusch her?“ Ach ja, war da nicht eine Baustelle am Waldrand? Hab ich gar nicht drauf geachtet. Und da ist er, der Fehler! „Nicht drauf geachtet“. Unser Gehirn ist darauf getrimmt, Geräusche die wir nicht hören wollen, zu ignorieren, das kann das Mikrofon aber nicht. Und da sind wir wieder beim Grundprinzip der Tonaufnahme: „Hören“!

Verlassen Sie sich beim Abhören und bei der Beurteilung der restaurierten Boxen nur auf Ihr Gehör? Oder verwenden Sie auch zusätzliche Hilfsmittel aus Gründen der Qualitätssicherung?

Das Abhören ist die letzte Kontrolle. Zunächst aber werden die einzelnen Komponenten verschiedenen Messungen unterzogen. Die Weichen werden auf Frequenzgang gemessen, die einzelnen Lautsprecherchassis auf Impedanzgang. Wenn da Abweichungen auftreten, bin ich schon bemüht, Teile mit gleichen Messwerten zusammenzustellen. Aber das Wichtigste ist und bleibt die Beurteilung durch das Hören. Da Hören aber subjektiv ist, ist es mir immer am liebsten, die Kunden holen ihre fertigen Boxen bei mir ab, bringen ihre Lieblingsmusik mit und geben mir ihren Eindruck wieder. Daraus kann auch ich viel lernen, denn wie gesagt: Hören ist subjektiv.

Worauf muss bei der Abnahme von Originalton besonders geachtet werden, damit die Aufnahmen „realistisch“ bzw. nachvollziehbar klingen (Schritte, Stimme entfernt oder nah, links/rechts etc). Oder wird dieser Schritt des „nachvollziehbar klingenden“ erst in der Postproduktion (an der Sie ja nicht mehr beteiligt waren) vollzogen?

„Nicht mehr“ an der Postproduktion beteiligt ist richtig, denn das ist erst seit der freien Marktwirtschaft so. Während der DEFA-Zeit war ein Tonmeister vom ersten Drehtag bis zum letzten Mischtag für seinen Ton verantwortlich, und das war auch gut so, da Absprachen, die beim Drehen getroffen wurden, auch eingefordert werden konnten – und zwar von allen Seiten. Wenn man in der Mischung nicht mehr dabei ist, und da entsteht ja das Endproduckt, kann schnell mal gesagt werden: „Das hab ich vom Drehort nie bekommen…“. Und plötzlich heißt es: „Wer hat denn da Ton gemacht?“. Und ich bin nicht da, um mich zu verteidigen.

Zur Originaltonaufnahme: Wichtig ist, was im Bild passiert, und zwar ausschließlich das. Möglichst natürlich auch perspektivisch. Also Naheinstellungen bekommen einen nahen Ton, Totalen perspektivisch, aber dennoch verständlich, einen totalen Ton. Und schon sind wir bei dem Problem der heutigen Tonkollegen. Es ist heute gang und gäbe, gleichzeitig mit zwei oder mehreren Kameras ein und dieselbe Einstellung zu drehen und zwar in verschiedenen Bildgrößen. Ein guter Tonangler ist in der Lage, eine Gruppe von Darstellern perspektivisch zu bedienen, aber immer nur soweit die Bildgrenze das zulässt. Werden nun mit zwei Kameras zwei in der Bildgröße unterschiedliche Aufnahmen gemacht, kann das geführte Mikrofon nur bis auf die Bildgrenze der totalen Einstellung heran gebracht werden, die Naheinstellung braucht aber einen nahen Ton. Was jetzt? Jeder Schauspieler der Szene bekommt ein Mikrofon angesteckt, äh, Entschuldigung, versteckt angebracht, darf ja nicht zu sehen sein. Schon hat der Tonmeister an seinem Aufnahmegerät locker mal drei, vier, fünf und mehr Mikrofone. Toll, hast immer alles parat, ja aber wie? Unter Sachen versteckte Mikros machen immer Ärger, klingen nicht so schön sauber, da ja unter Sachen versteckt und dadurch im Frequenzgang beeinträchtigt, und man glaubt es kaum, aber Kleidungsstücke können sehr laut sein wenn sie am Mikrofon reiben, ich hasse Seidenschlipse. Und da sind wir wieder bei der Mischung angekommen. Da heißt es dann: „Wie klingt das denn, wer hat denn den Ton gemacht?“. Wenn ich dabei wäre, würde ich sagen: „Der, der sich die Sache mit den vielen gleichzeitigen Kameras ausgedacht hat!“. Einer meiner Lieblingssprüche war: „Jeder Regisseur bekommt den Ton, den er inszeniert“, die böse Variante ist: „Jeder Regisseur bekommt den Ton, den er verdient“.

Neben der Restauration bieten Sie auch Studioaufnahmen für Gesang und Instrumente an. Wie ist Ihr Studio eingerichtet? Auf welche Geräte und Software schwören Sie bei Ihrer Arbeit? Nutzen Sie auch in Ihrem Studio nur RFT Boxen? Welche Art von Aufnahmen entstehen in Ihrem Studio?

Von einem Studio will ich in Bezug auf meine Möglichkeiten nicht sprechen. Das ist eher ein Allzweckraum, in dem man auch mal eine Gesangsaufnahme für kleines Budget erstellen kann. Gerne kommen in der Vorweihnachtszeit Eltern mit ihren Kindern, um von denen eine CD mit Weihnachtsliedern für die Großeltern einsingen zu lassen. Dabei schwöre ich auf mein Samplitude, kann ich da doch sooo viele Spuren aufmachen, um dann aus den vielen Aufnahmen eine gute zu machen. Und wenn gar nix mehr hilft kommt Elastic Audio und richtet den Rest.

Ach ja, zum Abhören gibt es bei mir nur RFTs. Als Stereo-Hauptlautsprecher verwende ich BR50 in meinem selbstentwickelten Gehäuse, von hinten beschallen mich zwei BR26 und als Center spielt ein BR3010.

Was war Ihre bisher schwierigste Aufgabe bei der Restauration von alten Aufnahmen? Und wie haben Sie die Situation gelöst?

Was heißt schon schwierig? Schwer macht man es sich doch eigentlich immer nur selbst. Wenn man weiß, welche Möglichkeiten man hat, eine Aufgabe zu lösen, dann ist sie auch schon gelöst. Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen. Geht nicht gibt’s nicht. Es kann heißen „geht so nicht“, aber wenn wir es „so und so“ machen, kommen wir auf einen Kompromiss, mit dem alle leben können. Ein Highlight war die Lebensgeschichte eines 80-jährigen Mannes, aufgezeichnet auf einem Diktiergerät mit eingebautem Mikrofon, automatischer Aufnahmeaussteuerung und automatischer Abschaltung bei Ruhe. Das Laufgeräusch des Kassettenlaufwerks war teilweise genauso laut wie die Stimme des alten Herren, bei jeder kleinen Denkpause hat das Gerät abgeschaltet und dann, mit Verzögerung, wieder eingeschaltet, sodass oft die erst Silbe weg war. Die Hauptarbeit hat die Cleaning & Restoration Suite geleistet. Damit hat man ein mächtiges Tool zur Hand, der Rest war Handarbeit: cut copy paste.

Sie sind Samplitude-Nutzer der ersten Stunde und haben bereits mit der Software gearbeitet als diese noch unter dem Label SEK’D vertrieben wurde. Aus welchem Grund haben Sie Samplitude die Treue gehalten?

Ich liebe die virtuelle Arbeitsweise. Das ist es, was mich von Anfang an begeistert hat. Das war ja in den Anfängen der digitalen Tonbearbeitung, zumindest im erschwinglichen Amateur- bzw. semiprofessionellen Bereich, noch nicht verbreitet. Samplitude war das erste Programm, bei dem mir das untergekommen ist. Und mit jeder neuen Version gibt es neue Möglichkeiten und nicht nur Änderungen des Aussehens.

Wie hat sich Samplitude in Ihren Augen über die Jahre entwickelt? Welche Neuerungen haben Sie besonders begrüßt?


Samplitude ist in meinen Augen von einem kleinen semiprofessionellen zu einem sehr großen professionellen Programm für fast alles gewachsen und ich habe in jeder neuen Version auch Features gefunden, die meine Möglichkeiten erweitert haben.

Welche Funktionen möchten Sie nicht missen?

Die oben gerade erwähnte Cleaning & Restoration Suite, aber auch die Möglichkeit, direkt aus dem VIP zu brennen, sind genial und nicht zu ersetzen.

Wir bedanken uns bei Herrn Kaufmann vielmals für das Interview.
Wenn Sie mehr über „TONkeule“ erfahren möchten, besuchen Sie seine Webseite http://www.tonkeule.de.
Zusätzlich finden Sie unter https://www.amazona.de/interview-andreas-kaufmann-tonkeule-de/ einen spannenden Artikel über ihn.

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