NEU

Artist Interview: Heba Kadry

Die in Ägypten geborene Heba Kadry startete mit Abschluss ihres Studiums an der “American University in Cairo” ihren Weg in die Musikbranche zunächst als
Jingle-Schreiberin für eine Werbeagentur. Später zog sie in die USA, um dort den Studiengang Audio-Engineering zu absolvieren. Kurz darauf nahm sie eine Stelle als Recording-Ingenieurin und Studio-Managerin in den legendären “SugarHill Recording Studios” an. Seit 2013 hat sie sich in ihrem New Yorker Studio in Brooklyn niedergelassen. Für den Mastering-Prozess setzt sie auf Sequoia und hat bisher Alben für Künstler wie Alex G, Neon Indian, The Mars Volta, TR/ST, Austra and Beach House gemastert. Erst kürzlich masterte sie den von Mica Levi komponierten Soundtrack des Kinofilms „Jackie“ mit Natalie Portman, der für einen Oscar in der Kategorie „Beste Filmmusik“ nominiert wurde. Zuletzt sind ihre Fähigkeiten als Mastering-Ingenieurin auf dem RAC Remix des Bob Moses‘ Songs „Tearing Me Up“ zu hören, der mit einem Grammy Award in der Kategorie „Best Remixed Recording“ ausgezeichnet wurde.

Heba Kadry, die sich selbst als „Finisherin“ bezeichnet, gewährt uns tiefe Einblicke in die Welt des Mastering und teilt ihre Ansichten über Kreativität, Musik-
produktion und dessen Zukunft.

 

Sequoia – „Ich habe viel über Sequoia gehört und als ich es getestet habe, hat es einfach perfekt gepasst.“


Heba, wieso hast du dich für Sequoia entschieden?

Weil es eine unglaublich vielseitige DAW ist. Ich habe über die Jahre hinweg so viel über Sequoia gehört und als ich es getestet habe, hat es einfach perfekt gepasst.


Welche Features magst du am liebsten?

Den Objekt Editor, die Comparisonics-Wellenformanzeige, die native Sequoia-Restauration und die Phase & Peak Meters. Außerdem mag ich, dass Sequoia kein Default-Library-Setup hat, das dich in der Art, wie du etwas organisieren möchtest, einschränkt. Es gibt keine Laufwerke, die du mounten musst oder komische, ätzende Fenster, um dein Audiomaterial zu finden. Du erschaffst quasi deine eigene Library und dein eigenes System. Die Abtastratenkonvertierung in Sequoia ist ebenfalls fantastisch.

Und, dass ist nicht wirklich ein Feature, aber das Sequoia-Handbuch ist wunderbar und wunderschön gestaltet. Es ist heutzutage ziemlich selten, ein gut gemachtes Handbuch mitgeliefert zubekommen.

Du hebst explizit den Objekt Editor hervor. Was macht das Arbeiten damit so besonders? Welche Probleme hat es gelöst, mit denen du dich früher herumschlagen musstest?

Ich bin ein kleiner Automations-Freak und mit dem Objekt Editor kann ich meine Arbeit innerhalb von 5 Minuten oder weniger verrichten. Sonst hätte das um die 15 bis 30 Minuten gedauert. Beispiel: Ich arbeite an einem Track und tüftel noch aus, wie die Strophen klingen sollen, aber in den Refrains fehlt noch etwas. Oder die Gitarren brauchen noch etwas mehr Druck um 500Hz, bevor die Analog-Chain anschlägt. Oder ich möchte ein Klangbild in einem bestimmten Abschnitt verbessern. Das alles kann sehr einfach und unaufwendig damit erledigt werden. Ich starte, indem ich eine Snapshot-Verkettung von verschiedenen EQs und/oder Kompressoren erstelle. Sobald ich zufrieden mit der Verkettung bin, kann ich diese als „Snapshot“ speichern und ganz einfach auf einen Refrain-Abschnitt oder einen anderen beliebigen zu adressierenden Abschnitt anwenden. Es erlaubt dir quasi, verschiedene Bereiche innerhalb eines Tracks im Handumdrehen zu manipulieren und zu formen.

Ein anderes Beispiel ist Zischen. Ich bin eine Verfechterin von De-Essern, hasse aber die Art und Weise wie sie klingen, wenn sie auf den gesamten Mix-Bus angewandt werden. Es klingt immer sehr unnatürlich und schadet der Lebendigkeit des Mixes. Wenn der Sänger rasiermesserscharfe S-Laute hat, bevorzuge ich es, mich jedem einzelnen Zischlaut seperat und gezielt zu widmen. Ich hole dann immer meinen Lieblings-De-Esser heraus, wie z.B. den DMG Essence, und erstelle eine Kette, die einen bestimmten Zischlaut bearbeitet und speichere dies ab. Danach schau ich mir die nächste Stelle an. Ich erstelle dann erneut einen Snapshot, der vielleich etwas plumper ist und füge eventuell einen EQ hinzu. Wenn ich den Track durchgehe, bekomme ich durch das Identifizieren der Zischlaute ein Gefühl für die verschiedenen Arten und lade dann den dazu passenden Snapshot (der Editor kann bis zu 4 Snapshots speichern). Das ist so wunderbar, da ein De-Esser mit nur einem Setting nicht unbedingt das Problem löst. Die Intensität des Zischlauts kann je nach Gesang variieren, sodass dein Threshold sowie die Sidechain-Frequenz ebenfalls angepasst werden müssen. Die T- oder CH-Laute befinden sich in den unteren Mitten, während die S-Laute z.B. im 6-8k Bereich liegen.

Die Comparisonics-Wellenformanzeige macht es einfach die Zischlaute herauzufischen, weil du diese visuell sehen kannst und daher nicht erahnen oder lange suchen musst.

Wie gehst Du beim Mastering mit Sequoia vor? Hast du einen Workflow-„Standard“ oder erfindest Du Dich für jede Produktion komplett neu?

Ja, ich habe ein spezifisches Template, welches ich samt Settings und Plug-ins, die für meinen Bedarf angepasst sind, laden kann.
Der eigentliche Mastering-Prozess und meine Signal-Chain variieren natürlich, aber mein Template und wie ich jedes Projekt strukturiere, ist jedes mal sehr ähnlich.

Heba Kadry – „Ich bin eine unverfrorene Synthie-Liebhaberin.“


Wenn man sich Deine Referenzen anhört, kann man eindeutig erkennen, dass du dich auf Electro-Pop spezialisiert hast. Wieso?

Eigentlich arbeite ich genauso an eigenartiger Noise/Experimental/Thrash Metal Musik. Ich glaube, meine Diskographie ist sehr facettenreich – und das mag ich sehr. Ich möchte nicht nur in eine Schublade gesteckt werden. Es ist aufregend, die Möglichkeit zu haben, in ein Studio zu gehen und an einem Tag an einem Experimental-Drum-Song zu arbeiten und an einem anderen Tag an einem Hochglanz-Popsong. Das motiviert mich und hält mich auf den Beinen. Und außerdem lerne ich dabei wunderbare Künstler kennen, die mich Musik entdecken lassen, die ich nie zuvor gehört habe.

Natürlich bin ich eine unverfrorene Synthie-Liebhaberin, was vermutlich die Electro-Pop-Szene ein bisschen zu mir zieht. Mein erstes Instrument war ein Casiotone 610 Synthesizer. Da ich ein Kind der 80er Jahre bin, wurde ich natürlich sehr von der synth-basierten Musik geprägt. Künstler wie Gershon Kingsley oder Vangelis liefen zu Hause rauf und runter. Zu der Zeit war es auch sehr beliebt, Synthie-Interpretationen von klassischer Musik zu hören. Platten wie Switched On Bach haben mich sehr angesprochen, da ich eine klassische Klavier-Ausbildung genossen habe. Dementsprechend habe ich diese Neuinterpretationen von Klassik-Standards auch geliebt.

Foto von Xenia Rollinson

Was ist für dich besonders wichtig, wenn du ein Album masterst?

Mein Bestes zu geben, um der Vision des Künstlers oder Produzenten Leben einzuhauchen und das Mastering-Erlebnis so spaßig und nahtlos wie möglich zu gestalten.

Mastering – „Ein Mastering-Ingenieur ist im Grunde genommen ein Vollender.“

Viele kennen nur das Mixing. Wie würdest Du Mastering für jemanden beschreiben, der dies nicht kennt?

 

Ein Mastering-Ingenieur ist im Grunde genommen ein Vollender.

Nachdem der Tracking- und Mixing-Prozess abgeschlossen ist, kommt die finale Ebene ins Spiel, in der alle Mixe zusammengeführt werden. Dann ist das Projekt bereit für die Pressung, Online-Releases oder jegliche andere Audio-Formate. Jeder mag Vergleiche – ich glaube ein Foto-Nachbearbeiter oder ein Farbkünstler in der Videowelt, wird eine ähnliche Herangehensweise an das Medium haben.

Es ist ein Metier, in dem 1/4 dB Veränderungen einen riesen Unterschied machen und Mikro-Details einen Schlüsselfaktor spielen. Heutzutage kann ein Album zu Hause oder bei einer Vielzahl von verschiedenen Studios aufgenommen und gemixt worden sein. Außerdem können verschiedene Ingenieure und Produzenten involviert sein. Mixe von verschiedenen Ingenieuren mit verschiedenen Levels und Herangehensweisen machen das Hörerlebnis eines Albums logischerweise zu einer holprigen Fahrt. Bei dem Mastering stehen diverse Tools zur Auswahl, um diese Tracks zusammenzubinden und eine Kohärenz bezüglich der Loudness und Frequenz herzustellen. Neben dem Ausbalancieren des Akustischen bist du auch die Qualitätskontrollpolizei. Jedes ungewollte Artefakt wie Knacken, Explosivlaute oder sonstige Geräusche wird entfernt. Wenn das Album gemastert ist, werden die Tracks sequenziell geordnet. Außerdem wird über den angemessenen Freiraum und Übergang zwischen den Songs entschieden.

Es ist wichtig anzumerken, dass der Aspekt des Fine-Tunings beim Mastering-Prozess eine Chance für den Künstler darstellt, extreme einflussreiche Entscheidungen für das Album zu treffen.

Mastering kann bestimmte Elemente im Mix hervorheben, die gegebenenfalls überdacht werden müssen, sodass dies den Künstler dazu veranlassen kann, die Sequenz oder einige Songs zu streichen. Es ist quasi wie ein Album zu „entgiften“.

Der letzte Schritt ist es dann, die finalen Produktionsmasters vorzubereiten. Das sind verschiedene Master-Formate, die für CD-Pressung, Kassetten oder Online-Releases verschickt werden.

Wie groß ist der klangliche Unterschied zwischen den Tracks vor und nach dem Mastering und wieviel Spielraum wird einem als Mastering-Engineer gegeben, die Klanggestalt zu verändern?

Das ist komplett projektabhängig. Manchmal bekommst du einen Mix, der fast zu 90% für sich steht und wo jede zusätzliche Arbeit leicht getan ist. Manchmal waren die Änderungen an Projekten sehr drastisch. Ich habe gemerkt, dass ich eine bessere Mastering-Ingenieurin wurde, als ich besser klingende Mixe bekam. Dadurch lernte ich, wann ich mich zurücknehmen sollte und wann nicht. Manchmal ist weniger so viel mehr und manchmal musst du wirklich die Ärmel hochkrempeln und reinhauen. Deswegen ist es so wichtig einen Raum zu schaffen, indem du während des Mastering-Prozesses mit dem Künstler/Mixer/Produzenten ständig im Dialog stehen kannst.

Würdest Du Mastering als eine eigene Kunstform bezeichnen? Oder als eine rein technische Optimierung?

Es ist auf jeden Fall beides. Meine Rolle wird von dem Projekt und dem Wunsch des Kunden geleitet. Es gibt Projekte, da werde ich as Technikerin gebucht und dann ist meine Beteiligung sehr transparent. Es gibt andere Situationen, in denen der Künstler oder wer auch immer die klanglichen Entscheidungen trifft, nach meinem Feedback fragen. Dann sind meine Anmerkungen, wie man Dinge verbessert, viel tiefgreifender. Es hängt also immer davon ab, wer dich bucht. In gewisser Weise bist du ein bisschen wie ein Chamäleon – du findest anhand des Projektes deine Rolle und so definiert sich dann auch was von dir erwartet wird. Dialog und Kommunikation sind das Wichtigste!

Du kannst dich nicht beschissen ausdrücken oder sozial ungeschickt mit anderen Leuten umgehen und erwarten, ein genialer Mastering-Ingenieur zu sein.

Da man die letzte Instanz bei einer Albumproduktion ist, können Ängstlichkeiten oder Unsicherheiten zum Vorschein kommen. Mastering ist ein bisschen wie ein Ausnüchtern für Künstler, da die Dinge endlich Form annehmen. Neben dem technischen Know-how musst du in solchen Situation die Ruhe weghaben und jede Art von Unsicherheiten, die der Künstler über die Aufnahme hat, umspielen.

Auf der persönlichen Ebene, und das mag jetzt sehr kitschig klingen, treffe ich viele Entscheidungen nach meinem Gefühl. Wenn ich eine Aufnahme mastere und mir die Vocals des Tracks Gänsehaut verschaffen, dann versuche ich herauszufinden, wie ich das auf eine Art und Weise noch mehr hervorheben kann, die zum Song passt und angemessen ist.

Über Neon Indian – „Als Mastering-Engineer bemühst du dich immer um ein Master, das für möglichst alle Formate ideal ist.“

Warst du außer dem Mastering auch für kreativen Input zuständig?

Für „Vega Intl. Night School“ haben wir an manchen Stellen auf 1/2“ Tape Layback Mastering zurückgegriffen, was echt sehr viel Spaß gemacht hat. Ich hatte den Einwurf gemacht, das Tempo der Bandmachine auf 15 ips zu reduzieren und die Bandantriebswelle zu nutzen, um das Band zu kürzen. Dadurch entstand dieser wirre Effekt, der im Intro von „Hit Parade“ zu hören ist. Wir haben uns auch sehr viel Zeit dafür genommen, mit dem Abstand zwischen den Tracks sowie den Schichtungen der Soundcollagen von Alan Palomo (Neon Indian) herumzuexperimentieren. Das Album hört sich wie ein langes Mixtape aus den 80er Jahren an – das grobe Fading war so beabsichtigt.
Wir haben einige „Mastering-Regeln“ einfach so aus dem Fenster geworfen, das war sehr spaßig.

Tracks wie „Annie“ und „Slumlord“ klingen vor allem über Kopfhörer noch beeindruckender als über Lautsprecher. Hast Du das Album-Master hauptsächlich für das Hören mit Kopfhörern konzipiert?

Danke! Als Mastering-Engineer bemühst du dich immer um ein Master, das für möglichst alle Formate ideal ist. Es ist unmöglich, jeden Monitor/Kopfhörer, der jemals produziert wurde, abzudecken. Aber mein Ziel ist es, die Musik in meinem Raum so unglaublich klingen zu lassen wie es nur geht. Slumlord ist besonders interessant, weil es ein 7-minütiger House-Track ist, der in zwei Abschnitte unterteilt ist.
Die erste Hälfte wurde von Alex Epton gemixt, die Zweite von Ben Allen. Der Abschnitt von Epton wurde auf 1/2“ Tape gemastert und der Allen-Abschnitt wurde von digitaler Quelle aus gemastert und zusammen mit dem ersten Abschnitt editiert. Allen merkte, dass er gegen eine Wand stieß, als er nach einer Möglichkeit suchte, die beiden Sektionen so zusammenzufügen, dass sie auch Sinn ergaben.
Einige seiner Ideen wurden also gestrichen. Am nächsten Morgen kam er nach einer zehnstündigen Session ohne Schlaf zurück – mit einigen komisch klingenden Soundschnipseln, die aber auf wundersame Weise passten.

Musikindustrie/ -business – „Ich glaube sehr stark an die Kraft von Skills und Erfahrung.“

Wie stehst Du zum „Loudness-War“? Schaut man sich beispielsweise einige Wave-Dateien von Muse-Produktionen an, erkennt man, dass keinerlei Dynamik mehr vorhanden ist. Was ist diesbezüglich deine Philosophie bei dem Mastering-Prozess?

Das ist nichts, worüber ich nachdenke und ich bin auch nicht eine dieser Ingenieure, die eine spezifische LUFS-Zahl für jedes Projekt anpeilt. Ich teile diese Philosophie nicht. Jedes Projekt ist anders und kann nicht unter den selben Grenzwert gepackt werden. Meine Aufgabe ist es das abzuliefern, was der Künstler will. Es ist nicht mein Album und nicht mein Platz, um klangliche Entscheidungen zu forcieren. Wenn ein Künstler Loudness wählt, bin ich dazu verpflichtet es so gut wie möglich klingen zu lassen. In manchen Fällen lass ich gegebenfalls eine Alternative vorspielen und informiere den Künstler, was das beste für seine Aufnahme ist. Wenn er sich für die lautere Variante entscheidet, bin ich damit einverstanden.

Ich weiß, dass Leute sich schnell echauffieren, wenn es um das Thema der Dynamik geht und ich kann auch nachvollziehen, warum das so ist. Laute Aufnahmen sind so ermüdend und können dem Hörerlebnis einen echten Dämpfer verpassen. Andererseits ist die Regulierung von Dynamik in Records ein lächerliches Konzept und ein Hindernis für die Vision des Künstlers. Stell dir vor, wenn Kunstmalern nur erlaubt wäre, auf einer bestimmten Größe von Leinwand zu malen? Okay, vielleicht nicht der beste Vergleich, aber du weißt was ich meine.

Es ist nicht so einfach einen Track für Loudness zu mastern. Es ist sehr zeitintensiv, es ansprechend klingen zu lassen. Es gibt stets Verzerrungsprobleme, mit denen du umgehen musst, sowie ein Mangel an Transparenz, weil alles im Mix sehr present ist. Dein Gehirn ist dann überfordert, weil es mit zu vielen gleichzeitigen Informationen beballert wird. Aber es gibt eine Vielzahl an Beispielen von hervorragend klingenden lauten Records.


Ich merke außerdem, dass in den letzten Jahren der Trend wieder zu mehr Dynamiken geht. Ich denke das kommt einher mit dem Revival von Vinyl.

Abgesehen davon gibt es auch Fälle, in denen ich zwei verschiedene Versionen mastere, wenn das digitale Master zu laut ist. All das hat dazu beigetragen, den Mastering-Trend wieder zurück im Sinne der Dynamik und hin zu natürlicheren Transienten zu verschieben.

Durch die „Demokratisierung der Produktionsmitteln“ können heutzutage immer mehr Leute für weniger Geld Equipment anschaffen und in Personalunion einen Song anfertigen – vom Schreiben bis zum Mastern. Merkst du, dass diese Veränderungen der Produktionsprozesse einen Einfluss auf die Auftragseingänge für professionelle Mastering-Studios haben?

Ich finde die Zugänglichkeit fantastisch! Es resultiert aber leider auch in sehr, sehr grausamen Alben… Aber das ist ein anderes Thema. Künstlern das Werkzeug zu geben, unendlich Zeit mit ihren Aufnahmen zu verbringen und den Sound zu finden, den sie wollen, ist etwas wundervolles. Und ja, kostengünstigere Aufnahme-Optionen haben leider einen Einfluss auf Studios, vor allem in New York. Ich glaube nach wie vor nicht, dass irgendeine Software eine professionelle Aufnahmeproduktion ablösen wird, dazu gehört auch Mastering.
Ich will nicht leugnen, dass die Dinge sich in den letzten 10-15 Jahren geändert haben, aber ich glaube sehr stark an die Kraft von Skills und Erfahrung.

Ein Künstler, der mit einem Home-Recording-Setup anfängt, wird eventuell an einem Punkt seiner Karriere einen Profi engagieren. Garageband zum Beispiel – es ist gut zum herumbasteln, aber irgendwann kommst du an Grenzen und bekommst das Verlangen nach einer professionelleren Erfahrung. Es ist normal, dass du deine nächste Aufnahme besser klingen lassen willst. Wenn Records komplett zu Hause aufgenommen und gemixt wurden, wird zumindest eventuell etwas für das Mastering ausgegeben – z.B. um dem Album etwas analoge Wärme zu geben oder es zumindest für einen offiziellen Release anzupassen. Es ist der natürliche Verlauf der Dinge, dass mit dem Fortschritt der Technologie immer günstigere und schnellere Home-Aufnahme-Optionen aufkommen. Home-Setups wurden ja schon in den 70er Jahren verwendet. Diese waren damals viel teurer als heute, aber der Bedarf und Drang danach deine Aufnahme in der Komfortzone deines Zuhauses zu machen, wird niemals vergehen. Wir müssen uns nur anpassen.

Auf lange Sicht glaube ich nicht, dass eine DAW oder ein Mastering-Algorithmus jemals das menschliche Ohr ablösen kann. Ein Besuch im Studio verbindet Menschen und deren Kulturen. Die dabei entstehenden Emotionen und die Freude kann man nicht einfach so ersetzen. Obwohl ich den Komfort vom Handling der Plug-ins in den letzten Jahren wirklich begrüßt habe. Aber ich habe auch einfach zu viel Spaß, wenn ich mit Hardware arbeite und an echten Knöpfen drehen kann. Außerdem klingt ein echter Tube-EQ einfach viel besser als seine Plug-in-Simulation. Es ist aber alles eine Sache der Balance. Letztlich sind es Sachen wie Ehrlichkeit und deine Leidenschaft, die die Leute zu dir zurückbringen.

Weiterführende Links

Fotos von Lola Serrano, sofern nicht anders ausgeschrieben.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

Entwickler Interview: Robin Lobel

Hinter den Kulissen - Entwickler Robin Lobel gibt Einblicke in den Entstehungsprozess, seine Ideen und die Vision für die Software SpectraLayers Pro.

> Weiterlesen

Das neue SOUND FORGE Audio Studio 15

Alle neuen Features und Optimierungen des SOUND FORGE Audio Studio 15 im Überblick!

> Weiterlesen

Artist Interview: Siegfried Meier

Der Gründer der legendären Beach Road Studios, berichtet über seine Arbeit und die Besonderheiten sozialer Hotspots in Studios.

> Weiterlesen

Artist Interview: Jairo Bonilla

Jairo Bonilla gibt uns Einblicke und Erfahrungswerte über die Produktion von Werbemusik mit dem Music Maker.

> Weiterlesen